Mecklenburg-Vorpommern: Flugzeugsitze und Strandkörbe
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Landeshauptstadt im Aufschwung
Der Aufschwung der vergangenen Jahre setzt sich 2017 ungebrochen fort. Anfang März eröffnete die ZIM Flugsitz GmbH ihr neues Werk in Schwerin, um „als Mittelständler den Flugzeugsessel zu revolutionieren“, wie die Wirtschaftswoche es ausdrückte. 80 Mitarbeiter fertigen dort über 20.000 Flugzeugsitze pro Jahr. Der Hersteller von Qualitätssitzen „Made in Germany“ hat die Landeshauptstadt als zweiten Standort gewählt, um mehr Nähe zum Kunden Airbus und zum Hamburger Hafen zu haben. „Deutschland ist als Entwicklungs- und Produktionsstandort für die Luftfahrt sehr attraktiv. Das Beispiel ZIM Flugsitz zeigt dies eindrucksvoll“, würdigte die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie Brigitte Zypries die Entscheidung des inhabergeführten Unternehmens aus dem Bodenseekreis für Wachstum am Standort Schwerin.
Angelika Zimmermann
Geschäftsführerin ZIM FLUGSITZ GmbH
Seit 2005 im Norden verwurzelt ist die Firma Flammaerotec, die in Schwerin Flugzeugteile aus Aluminium und Titan wie Flügelenden und nicht sichtbare Strukturteile herstellt. Seit dieser Zeit kann das Unternehmen beeindruckendes Wachstum verzeichnen: Die Produktionsfläche wird sich in Kürze auf 20.000 Quadratmeter verdoppeln, die Zahl der Beschäftigten hat sich auf heute 350 sogar verzehnfacht.
Von der Hanse-Kogge zum Flugzeug
Bereits im Mittelalter betrieben die Rostocker regen Handel. Daran hat sich nichts geändert, auch wenn heute statt der traditionellen Hanse-Kogge das Flugzeug im Vordergrund steht. Forschung und Entwicklung spielen dabei eine bedeutende Rolle in der Universitätsstadt.
Ein entscheidender Schritt hin zu einem der ernstzunehmenden Luft- und Raumfahrtstandorte des Landes war die Eröffnung des Entwicklungszentrums von Diehl Aerospace im Jahr 2006. Diehl, der führende deutsche Hersteller von Flugzeugsystemen und Komponenten, hat im Nordosten bereits eine Vielzahlt von Innovationen hervorgebracht, darunter Türsteuerungs- und Überwachungssysteme für die Airbus-Programme A350 XWB, A400M und A380, die Beleuchtungs- und Avioniksysteme des A350 XWB sowie das farbige LED-Kabinenbeleuchtungssystem des Boeing 787 Dreamliners. Durch den Ausbau des Entwicklungszentrums in Rostock entstehen weiter attraktive Arbeitsplätze im Bereich der Hochtechnologie.
Aus Rostock in die ganze Welt
Die RST Rostock System-Technik GmbH unterstützt mit ihren 150 Mitarbeitern führende Hersteller und renommierte Airlines bei der System- und Produktentwicklung. Kernkompetenz ist die Entwicklung von Systemen für Flugzeugkabinen wie Kabinenausstattung und -elektronik sowie die Herstellung von Kabinen-Simulatoren für die Ausbildung des fliegenden Personals. Darüber hinaus ist die RST an zahlreichen Raumfahrtprogrammen beteiligt. Seit 2013 entwickelt und baut das Unternehmen für die Raumfahrtindustrie mechanische und elektrische Bodensupport-Systeme, die in diversen nationalen und internationalen Raumfahrprogrammen zum Einsatz kommen.
Seit 2000 ist SII Deutschland in der Hansestadt Rostock aktiv. Der Ingenieurdienstleister ist auf die Entwicklung komplexer Systeme, Baugruppen und IT Lösungen für die Luft- und Raumfahrt spezialisiert und ist an nahezu allen Airbus-Programmen beteiligt. Zu den Kernkompetenzen gehört die Entwicklung von Flugzeuginterieuren und Fluggastsitzen, Avionik, Flugzeugsystemen wie Elektrik und Sauerstoffversorgung sowie von metallischen und nicht-metallischen Flugzeugstrukturen.
Im Technologiezentrum in Rostock‐Warnemünde ist die 3D Innovation GmbH & Co. KG zu Hause. Von hier aus führen die hochqualifizierten Mitarbeiter Ingenieurdienstleistungen für Airbus Flugzeugprogramme durch. Das Unternehmen ist unter anderem im Auftrag von First Tier Lieferanten an der Entwicklung und Konstruktion von Flugzeugbaukomponenten beteiligt. Insbesondere in der Innenausstattung für die Airbus-Flugzeugfamilien Single Aisle, Long Range und A380 werden Aufgaben übernommen. In der Neukonstruktion und in der Modifikation von Strukturbauteilen oder bei Materialänderungen und/oder neuen Verfahrenstechniken werden Konstruktions- und Berechnungsingenieure von 3D Innovation eingesetzt.
Dass Mecklenburg-Vorpommern mehr als nur Standkörbe bietet, wird auch in Wismar deutlich: Dort erweiterte die Aero-Coating GmbH im vergangenen Jahr ihre Produktion um eine neue Fertigungshalle. Das Unternehmen, das Metall- und Kunststoffbauteile unter anderem für die Luft- und Raumfahrtindustrie beschichtet, startete vor 20 Jahren mit sieben Mitarbeitern; heute sind es über 70. In die neuen Kapazitäten wurden rund 8,4 Millionen Euro investiert.
Die Aero-Coating GmbH beschichtet alles, was das Flugzeug zusammenhält, so dass in jedem Airbus ein Teil aus Wismar steckt. Das Unternehmen wächst im zweistelligen Bereich seit 2013 und kann erfolgreich die Anforderungen des Luftfahrtmarktes erfüllen. Aero-Coating ist Mitglied der vom BDLI unterstützten Supplier Exellence SPACE Organisation.
Sportlich und ultraleicht unterwegs
Noch leichter und geradezu spartanisch im Gewicht ist die Aerolite 120 des nur wenige Kilometer entfernt ansässigen Unternehmens Vierwerk. Der nur 120 Kilogramm leichte Flieger ist in vielen verschiedenen Farbversionen lieferbar, so dass kaum ein Flugzeug dem anderen gleicht.
Seit 2010 vernetzt das Luft- und Raumfahrtnetzwerk Mecklenburg-Vorpommern die Luftfahrtindustrie im Land und mit den anderen Standorten in Norddeutschland. Organisiert wird dieses Netzwerk vom deutschlandweit aufgestellten KMU-Verband Hanse-Aerospace e.V., der dafür in Schwerin in den Räumen der IHK ein Büro unterhält. 25 der insgesamt 160 Hanse-Aerospace-Mitglieder sitzen in Mecklenburg-Vorpommern. Weiterführende Informationen finden Sie auch auf der Website von Hanse-Aerospace.
Vom kaiserlichen Telegraphen zur Erdbeobachtung per Satelliten
Seit über einem Jahrhundert wird in der Region in für die Luft- und Raumfahrt relevanten Bereichen geforscht. Seit der Gründung der Versuchsfunkstelle des Kaiserlichen Telegraphenversuchsamtes im Jahr 1913 sind in Neustrelitz Antennen empfangsbereit. Damals reichte das Signal bis zu 100 Kilometer weit, während sich heute die neueste Antenne auf einen Satelliten ausrichtet, der 1,5 Millionen Kilometer entfernt die Sonnenaktivität beobachtet. Die Erforschung von Wellenausbreitung und deren Nutzung hat am Standort Neustrelitz Tradition. Seit 1992 ist die nördlich von Berlin gelegene Stadt ein wichtiger Standort des Deutschen Zentrums für Luft-und Raumfahrt (DLR) mit etwa 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in fünf Einrichtungen und Forschungsinstituten.
Dazu gehört auch das Institut für Methodik der Fernerkundung. Es ist Teil des DLR-Institutsverbund Earth Observation Center (EOC) – dem Kompetenzzentrum für Erdbeobachtung in Deutschland. Hauptsächliches Ziel ist es, durch die Entwicklung von Satellitentechnologie und die Verarbeitung von Satellitendaten nahezu in Echtzeit Aussagen zur Zusammensetzung und zu Eigenschaften der Atmosphäre machen zu können, die vor allem für die Klima- und Umweltforschung von Bedeutung sind.
Das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e. V. (INP Greifswald) gehört weltweit zu den führenden Forschungsinstituten im Bereich physikalischer Plasmen und deren technische Anwendungen. Mit knapp 180 Wissenschaftlern und Fachkräften ist das INP Greifswald die größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung zu Niedertemperaturplasmen in Europa, einem bedeutenden Feld technischer Innovationen.
Plasmagestützte Prozesse sind heutzutage in der Luftfahrt unverzichtbar. Sie verleihen Oberflächen neue Eigenschaften und stellen eine umweltfreundliche Alternative zu vielen herkömmlichen Verfahren dar. Plasmen bewähren sich bereits bei der Reinigung von Oberflächlichen, können beim Lackieren eingesetzt werden und erhöhen bei der Verklebung von Metallen und Verbundwerkstoffen wie CFK die Festigkeit. Darüber hinaus können mithilfe von Plasmaprozessen Flugzeugteile vor Korrosion oder Hitze geschützt werden, was ihre Lebensdauer erhöht.