Branchendaten der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie 2020
Die Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland hat im zurückliegenden Geschäftsjahr einen deutlichen wirtschaftlichen Rückgang erlebt. Durch die Corona-Krise sind die Umsätze im vergangenen Jahr von 41 Milliarden Euro um 10 Milliarden auf 31 Milliarden Euro gesunken. Die Gesamtzahl ihrer Beschäftigten sank von insgesamt 114.000 (2019) um 9.000 auf 105.000. Dies gab der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) heute in Berlin bekannt.
Krise der zivilen Luftfahrt dauert massiv an – Startbahn für klimaneutrales Fliegen
Dieser Einbruch des Gesamtumsatzes um rund ein Viertel resultiert nahezu ausschließlich aus dem massiven Rückgang des Umsatzes in der zivilen Luftfahrtindustrie. Lag der Umsatz in dem größten Segment der Branche 2019 noch bei 32 Milliarden Euro, waren es im zurückliegenden Geschäftsjahr nur noch knapp 22 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Einbruch von rund einem Drittel. Die Beschäftigtenzahl sank von 81.000 um 8.200 auf knapp 73.000. Hauptursachen sind die auf dem Weltmarkt deutlich weniger verkauften Flugzeuge im Jahr 2020 - allein Airbus lieferte 2020 mit 566 knapp 300 Flugzeuge weniger aus als in 2019 (863) - aufgrund der seit über einem Jahr anhaltenden drastischen Reiseeinschränkungen. Jedes sechste Verkehrsflugzeug weltweit wird in Deutschland endmontiert und ausgeliefert, und an jedem weltweit ausgelieferten Flugzeug ist die mittelständisch geprägte Zulieferindustrie beteiligt. Die Systemhersteller sind ebenso wie die tief gestaffelte, bundesweit beheimatete Zulieferkette vom Einbruch des internationalen Reiseverkehrs maßgeblich betroffen.
„Das Umsatzminus in der zivilen Luftfahrtindustrie ist dramatisch. Mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahl um 8.200 hat sich der Verlust von Arbeitsplätzen in unserer High-Tech-Branche in 2020 noch in Grenzen gehalten – aber ausschließlich dank des wirksamen Instruments der Kurzarbeit. Einen stärkeren Personalabbau erwarten und befürchten wir jedoch für dieses und das kommende Jahr“, sagt Reiner Winkler, Vize-Präsident Luftfahrt des BDLI, und fährt fort: „Die Corona-Pandemie hat uns in die schwerste Krise geführt, deren Ausmaß fortdauert und sich stetig vertieft. Nach wie vor steht das Überleben im Fokus unserer unternehmerischen Anstrengungen. Nahezu alle Unternehmen unserer zivilen Luftfahrtindustrie sind unmittelbar und massiv betroffen – in der gesamten Bundesrepublik, wo unsere Mitgliedsunternehmen ansässig sind, von der Küste bis zum Bodensee. 8.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben bereits heute ihren Arbeitsplatz verloren.“ Winkler betont: „Ohne die Möglichkeit der Kurzarbeit, mit der wir die krisenbedingte Auftragsreduzierung um 40 % im zurückliegenden Geschäftsjahr abfedern konnten, wäre die Situation noch schwerwiegender. Unser ausdrücklicher Dank gilt der Bundesregierung – dank Kurzarbeit wird uns ermöglicht, hochqualifizierte Beschäftigte an Bord zu halten. Wichtig ist, dieses Instrument über 2021 bereitzustellen. Denn mit ihnen gehen wir zusammen die größte, langfristige Herausforderung unserer Branche an: das klimaneutrale Fliegen.“
Mit Blick in die Zukunft führt Winkler aus: „Das grüne Fliegen ist Zukunft, und sie hat bereits begonnen. Wir nutzen die Krise als Chance. Unser erklärtes Ziel ist, dass das klimaneutrale Flugzeug der Zukunft in Europa und in Deutschland entwickelt und gebaut werden wird. Deshalb setzt sich der BDLI stark für Forschungsmittel und Finanzierung von Technologie-Demonstratoren ein. Das Know-how für die Technologien für Flugzeuge der Zukunft ist an den Standorten in Deutschland vorhanden. Nur eine klimaneutrale Luftfahrt behält ihre Lizenz zum Wachsen und kann nachhaltige Mobilität dauerhaft gewährleisten. Dazu bedarf es zielgerichteter und weitsichtiger Investitionen in alle technologischen Aspekte rund ums Fliegen: In neuartige Antriebe ebenso wie integrierte Flugsysteme, leistungsfähige Leichtbaustrukturen und Digitalisierung und nicht zuletzt nachhaltige Flugkraftstoffe. Dazu zählt auch der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur“.
Die Innovationsprämie Luftfahrt müsse jetzt umgesetzt werden, um Flugzeugflotten noch schneller zu modernisieren. Winkler: „So ersetzen nach der Krise hocheffiziente Flugzeuge alte Modelle. Modernisierung ist der beste Klimaschutz.“
Winkler betonte die Notwendigkeit der Wiederaufnahme des Flugverkehrs: „Wir müssen zurück in die Luft! Die weitreichenden Reisebeschränkungen und pauschale, nicht kontrollierbare Quarantäne-Bestimmungen bringen den Verkehr weitgehend zum Erliegen. Stattdessen braucht es eine wirksame Teststrategie, bei der die Quarantäne durch Tests ersetzt wird. Zudem sollte mit dem zunehmenden Fortschritt der Impfkampagne auch gelten, dass geimpfte und genesene Passagiere von Quarantänepflichten entbunden werden“.
Raumfahrt und militärische Luftfahrt
Die Umsätze in der Raumfahrtindustrie sind um ca. 15% auf 2,3 Milliarden Euro (2019: 2,7 Milliarden Euro) gesunken. Corona-bedingt gab es Probleme in der Lieferkette und weniger Launcher-Starts. Mit 9.600 Beschäftigten (2019: 9.700 MitarbeiterInnen) ist die Beschäftigung stabil geblieben.
Die Raumfahrt hat im zurückliegenden Jahr einmal mehr ihre souveränen Fähigkeiten bewiesen. Die Bereitstellung digitaler Anwendungen im Rahmen von Homeoffice, Homeschooling sowie privaten und beruflichen Telefon- und Videokonferenzen unterstreichen ihre hohe Relevanz. Diese gilt es auszubauen. Von strategisch unverzichtbarer Bedeutung ist dabei eine Erhöhung des Nationalen Programm für Weltraum und Innovation auf 500 Mio. Euro p.a. mit dem Ziel, die deutsche Raumfahrtindustrie weiterhin wettbewerbsfähig aufzustellen.
Das Segment der militärischen Luftfahrtindustrie verzeichnete eine leichte Erhöhung im Umsatz von 6,7 Milliarden Euro auf 7,1 Milliarden Euro bei gleichzeitig leichter Reduzierung der Beschäftigtenzahl um 2 % von 23.300 auf 22.900.
Im zurückliegenden Geschäftsjahr konnten gleich mehrere Großvorhaben in die Umsetzung gebracht werden, die durch ihre hohe Lieferanten-Beteiligung auch wirtschaftliche Absicherung der Zulieferkette bedeuteten. Nun muss die Ausgestaltung weiterer strategischer Vorhaben folgen, mit besonderem Augenmerk auf FCAS (Future Combat Air System). Es gilt für unsere Mitgliedsunternehmen, für die Bundesrepublik Deutschland und für die Bundeswehr Technologien und Fähigkeiten weiterzuentwickeln mit dem Ziel, den Soldatinnen und Soldaten bestmögliche Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Dafür braucht unsere Industrie ein Fundament an Planungssicherheit. Einsparungen bei den Programmen bedeuten für die technologische und industrielle Position sowie für die Souveränität Deutschlands in Europa und der Welt unmittelbare negative Konsequenzen.
Leichter Rückgang im Export – weiterhin hohe industrieeigene F&E-Quote
Im zurückliegenden Geschäftsjahr fiel der Exportanteil im Vergleich zu 2019, gemessen am Umsatz der Gesamtbranche, leicht von 77 % auf 74 %. Die industrieeigenen Ausgaben für Forschung und Entwicklung liegen weiterhin auf hohem Niveau. Sie umfassten ein Volumen von rund 2,9 Mrd. Euro; diese Zahl entspricht einem Anteil von 9,3 % des Branchenumsatzes.