Luftfahrt aktuell: Krise mit Perspektive

Berlin
Wie sich die Luftfahrtbranche aus einem tiefen Tal in eine klimaneutrale, nachhaltige und weltweit wettbewerbsfähige Zukunft rettet

Die mittelständisch geprägten Luftfahrtzulieferer sind 2020 – wie auch die gesamte zivile Luftfahrtindustrie selbst – durch die schwerste Krise unserer Gesellschaft und damit in unserer Industrie seit 1945 gegangen. Sowohl die Tiefe des Einschnitts als auch die zu erwartende Dauer haben dramatische Werte erreicht, die noch vor einem Jahr jenseits unser aller Vorstellungsvermögen lagen.

Ein unverzüglich implementiertes, gut aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel von unternehmerischen und staatlichen Maßnahmen hat geholfen, die Auswirkungen dieser Krise abzufedern und die Supply Chain aufrecht zu erhalten. So lautet das Fazit der vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) und der h&z Unternehmensberatung AG durchgeführten dritten Studie „Auswirkungen von Covid-19 auf die deutsche Luft- und Raumfahrtzulieferindustrie - Status quo und Strategien zur Krisenüberwindung“. Unsere Industrie steckt zwar weiterhin tief in der Krise, sieht aber langfristig auch im zivilen Bereich gute Perspektiven.

Zum einen haben die Unternehmen sofort zur Branchenrettung in konstruktiver Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern pragmatisch, schnell, flexibel, kreativ, unbürokratisch und verantwortungsvoll gehandelt durch eine Vielzahl von Maßnahmen wie zum Beispiel Anpassung von Arbeitszeiten oder das Managen von Betriebsunterbrechungen. Zum anderen hat das gezielte und konsequente Angebot staatlich geförderter Maßnahmen (insb. das Kurzarbeitergeld sowie KfW-gestützte Kredite), die von den Unternehmen genutzt wurden, einen unverzichtbaren Beitrag geleistet, die Auswirkungen der Krise abzufedern. Hierfür gilt der Bundesregierung ausdrücklicher Dank.

„Drei Viertel aller Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie mussten in Kurzarbeit gehen“, gibt Volker Thum, Hauptgeschäftsführer des BDLI, bekannt und spezifiziert: „Nahezu alle Unternehmen unserer zivilen Luftfahrtindustrie haben das Instrument der Kurzarbeit genutzt und damit die krisenbedingte Auftragsreduzierung um 40 % ausgleichen können. Das heißt, dass etwa 70.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu durchschnittlich 40 % in Kurzarbeit waren und damit unmittelbar von dieser massiven Krise betroffen – und dies in der gesamten Bundesrepublik, wo unsere Mitgliedsunternehmen ansässig sind, von der Küste bis zum Bodensee.“

Ein weiterer wichtiger Baustein stellte zusätzlich das Aufrechterhalten eines vergleichbaren hohen Ratenniveaus, d.h. das Durchhalten der Rate 40 bei der Produktion der A320-Familie durch Airbus dar. Michael Santo, Luftfahrt-Experte und Managing Partner bei der h&z Unternehmensberatung, stellt fest: „Diese große Management-Leistung von Airbus war wichtiger stabilisierender Faktor, denn dadurch konnten existierende Supply Chains weitestgehend am Leben gehalten werden. So ist die europäische Luftfahrtindustrie ungleich besser durch die Krise gekommen als der amerikanische Wettbewerb.“

Krise meistern und Klima schützen

Aber die Krise ist noch lange nicht zu Ende. Jetzt gilt es, den Neuanlauf zu gestalten und zu finanzieren und die Nachwirkungen der Krise zu managen. Gleichzeitig wird auch die zivile Zulieferindustrie einen maßgeblichen Beitrag leisten, die Zukunft des klimaneutralen Fliegens voranzutreiben und so an der Ausgestaltung Deutschlands zum Hub für das klimaneutrale Fliegen mitzuwirken.

Rolf Philipp, Mittelstandsbeauftragter des BDLI, betont hierbei die Kreativität der mittelständischen Unternehmen in der Krise: „Insbesondere zuliefernde Unternehmen haben in der Krise schnell reagiert und Aktivitäten jenseits der etablierten Geschäftsbereiche angestoßen. Natürlich sind die Auswirkungen auf diese Unternehmen enorm, und es bedarf weiterer Unterstützung, um diese Krise zu überleben.“

Arndt Schoenemann, BDLI-Vizepräsident Ausrüstung und Werkstoffe, sagt: „Das erklärte Ziel der zivilen Luftfahrtindustrie ist, dass das klimaneutrale Flugzeug der Zukunft in Europa und in Deutschland entwickelt und gebaut werden wird. Hier setzt sich der BDLI stark für Forschungsmittel und Finanzierung von Demonstratoren ein. Das Know-how für die Technologien der Zukunft des Fliegens haben wir an unseren Standorten, die in der gesamten Bundesrepublik Deutschland ansässig sind.“

Jetzt gelte es, so Schoenemann, den Neuanlauf zu gestalten und zu finanzieren und die Nachwirkungen der Krise sind zu managen: „Zu einem solch strategisch bedeutsamen Zeitpunkt der Weichenstellung muss die vorausschauende, zielgerichtete Begleitung der Branche von staatlicher Seite nicht nur fortgeführt, sondern ausgebaut werden. So sind vorhandene Maßnahmen insbesondere im Zivilluftfahrtbereich der Dauer der Krise anzupassen und die Förderung von Forschung und Entwicklung für das klimaneutral fliegende Verkehrsflugzeug auszubauen. Nur so behält die Luftfahrt ihre Lizenz zum Wachsen und kann Mobilität und Klimaschutz dauerhaft gewährleisten.“

Schoenemann weiter: „Zur Realisierung dieses Ziels bedarf es verstärkter und zielgerichteter Investitionen in alle technologischen Aspekte rund ums Fliegen. Dies umfasst neuartige Antriebe ebenso wie integrierte Flugsysteme, leistungsfähige Leichtbaustrukturen und Digitalisierung und nicht zuletzt nachhaltige Flugkraftstoffe. Wir meistern die Krise und verfolgen das ambitionierte Ziel, das Klima zu schützen. Dafür braucht es jetzt gesamtgesellschaftliche Anstrengungen, damit das klimaneutrale Flugzeug der Zukunft aus Deutschland und Europa kommt.“